Der Publizist
Heinz-Joachim Fischer als Herausgeber der Reihe Bibliothek der verbotenen Bücher
Über Jahrhunderte hinweg fürchtete die Kirche die subversive Kraft des gedruckten Wortes und institutionalisierte im 16. Jahrhundert die Zensur, in Form des berüchtigten "Index librorum prohibitorum": Ein Verzeichnis von Werken, die gegen katholisches Dogma verstießen und deren Lektüre daher verboten war. Die „Bibliothek der verbotenen Bücher“ orientiert sich an diesem Index, auf dem bis zu seiner Außerkraftsetzung 1966/67 die Führung der katholischen Kirche Namen und Werke von Theologen, Philosophen und Schriftstellern, veröffentlichte, die mit ihren eigenen Glaubens- und Sittenlehren in irgendeiner Weise nicht übereinstimmten. So erklärte die Kirche die Lehren berühmter Philosophen, Theologen und Naturwissenschaftler zur Ketzerei und verbot Bücher, die heute zum weltweiten Bildungskanon gehören.
Heinz-Joachim Fischer über die „Bibliothek der verbotenen Bücher“
»Ich war Student, als ich das erste Mal auf die „Bibliothek der verbotenen Bücher“ stieß. In den verschiedenen Bibliothekssälen des Kollegs, dem für die Theologie, Philosophie und Literatur, stieß ich im Jahre 1963 zum ersten Mal auf die „verbotenen Bücher“. Erkennbar daran, dass sie über dem Buchrücken quer mit einem etwa einen Zentimeter dicken roten, sündhaft roten Klebestreifen versehen waren.
Das erscheint in einer Zeit mit allgemeinen Freiheiten, in liberalen pluralistischen Gesellschaften befremdlich, wurde jedoch und wird immer noch praktiziert zur Unterscheidung des Eigenen vom Fremden, Unliebsamen, Bedrohlichen. Denn immer mehr entglitten die vielgestaltigen Gesellschaften mit ihren eigengesetzlichen Wirklichkeiten des Politischen, Wirtschaftlichen oder Sozialen dem Führungsanspruch der Kirche und ihrer Geistlichen, erhoben sich die Bürger gegen die Vormundschaft des Christlich-Religiösen.
Der römische Index wurde im theologischen, philosophischen und literarischen Bereich mehr und mehr eine stumpfe Waffe, selbst innerhalb der Kirche wegen offenkundiger Unzulänglichkeiten und willkürlicher Auswahl kritisiert, von außen verspottet und verhöhnt. Der Kampf der katholischen Kirche mit der modernen Welt, seit der Aufklärung des 18. Jahrhunderts von beiden, ganz ungleichen Seiten mit großem Einsatz geführt, ging um den Menschen und seine Seele. Der Index beschwört auf seine Art dieses gewaltige Ringen:
In der „Bibliothek der verbotenen Bücher“ zeigt sich ein unabgeschlossener Konflikt zwischen der Freiheit, die nach ihrer Wahrheit sucht, und einer Wahrheit, die für ihren Glauben Freiheit braucht und diese Grenze immer neu zu bestimmen versucht. So will ich auch den Lesern die „Bibliothek der verbotenen Bücher“ nicht mit dem Triumphgeschrei des Antiklerikalen vorstellen, nicht schmackhaft machen durch den Reiz des einst Untersagten. Was für Katholiken früher als unvereinbar mit dem Katholischen klassifiziert wurde, was im entgegengesetzten Verständnis gleichsam eine höhere Weihe erhalten hatte, als anti-religiös, anti-christlich, anti-kirchlich, anti-klerikal, soll für sich sprechen. Für mich besteht die Faszination darin, die Zeugnisse einer geistesgeschichtlichen Auseinandersetzung in Literatur, Philosophie und Theologie, für Glauben und Verhalten, lebendig zu machen, sie in ihrer Zeit und aus ihrer Zeit heraus zu verstehen ohne die Arroganz der Besserwisser von heute und daraus Schlüsse für die Gegenwart zu ziehen.«